Alles gut bei den Bioverbänden?

Die Bioanbauverbände werben damit, noch viel strengere Kriterien anzulegen als die EU-Bio-Richtlinie. Damit wird suggeriert, dass es sich bei diesen Siegeln um eine ganz andere Kategorie handelt als „nur“ das EU-Bio. Ist dem so?

Einige Beispiele von Bioland, Demeter und Naturland

  • Bioland schreibt für Schweine, Rinder, Hühner, Enten, Gänse und Truthähne keinen Quadratzentimeter mehr Platz vor als die EU-Bio-Richtlinie (vgl. Bioland Richtlinien, Punkt 10.6). Der einzige Unterschied ist, dass sich nicht sieben Legehennen ein „Nest“ (so werden Nischen zum Eierlegen beschönigend genannt) teilen müssen, sondern fünf. Und dass es für die Haltung von Wachteln, Tauben und Kaninchen überhaupt Platzvorschriften gibt – wenn auch welche, die dem Bewegungsdrang dieser Tiere Hohn sprechen. Niemand würde eine Katzenhaltung tolerieren, die maximal „15 kg/qm“ vorschreibt. Für Kaninchen, die in Freiheit kaum zu bremsen sind, ist das nicht nur „bio“, sondern sogar „Bioland“, also maximal „artgerecht“.
  • Der anthroposophische Anbauverband Demeter, der sich nach Mondphasen richtet und in Bioläden das Image hat, die Perfektion von „bio“ zu sein, gestattet nach wie vor die Anbindehaltung von Rindern. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die EU-Bio-Richtline spätestens ab 2014 keine Anbindehaltung mehr zulässt – mit Ausnahme der Rinderhaltung in „kleinen Betrieben“. Damit werden beispielsweise Tausende Betriebe in Bayern davor bewahrt, in den Umbau ihrer Ställe zu investieren. Was zum Schutz einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft sinnvoll erscheint, zeigt ein weiteres Mal die Prioritätensetzung auch bei „bio“: Es geht um den Menschen und seine Ökonomie, nicht um die Tiere. Und es zeigt, dass der tierfreundliche kleine Bauernhof von nebenan nicht nur eine Illusion ist, sondern manchmal sogar noch weniger Auflagen erfüllen muss als sein agrarindustrieller Kollege.
  • Deutschlands größter Bio-Eier-Produzent Wiesengold gehört zum Verband Naturland. Nach eigenen Angaben vermarktet das Unternehmen jährlich über 150 Millionen Bio-Eier, also im Schnitt über 400.000 pro Tag. Für das Unternehmen leben circa eine halbe Million Hühner an etwa 30 Standorten in Gefangenschaft. Im Herbst 2012 veröffentlichte das ARD-Magazin Fakt Aufnahmen von Animal Rights Watch (damals noch die Tierfreunde e.V.) aus dem Stammbetrieb des Geschäftsführers Heinrich Tiemann, die die Hühner der Anlage in desolatem Zustand zeigen. Zunächst sprachen Wiesengold und Naturland von einem bedauerlichen Einzelfall wegen einer Erkrankung der Tiere. Eine Woche darauf veröffentlichte PETA ähnliche Bilder aus einer anderen Anlage des Konzerns. In Erklärungsnot geraten, hat Naturland mittlerweile 4 Wiesengold-Anlagen die Mitgliedschaft gekündigt.

Dass erst Tierrechtsrecherchen zu diesem Schritt geführt haben, zeigt nicht die Kontrollfähigkeit und Selbstheilungskraft des Systems. Naturland hat all diese Betriebe auch vorher schon regelmäßig „kontrolliert“. Die Bilder aus den Betrieben zeigen, wie Bio-Legehühner im Normalfall nach ein bis anderthalb Jahren Legemarathon in normalgroßen Bio-„Herden“ (3000 Tiere) aussehen. Nicht die erschreckenden Zustände sind der Einzelfall, sondern dass wegen des öffentlichen Aufsehens medienwirksam einige der Anlagen aus dem Verband ausgeschlossen wurden.

Fazit

Die Suche nach der heilen Tierhaltungswelt wird immer verrückter. Systematisch ausgeblendet wird, dass Tiere zwangsläufig zu nichts weiter als Waren für menschliche Märkte degradiert werden – ob demeter, bio oder konventionell. Die Suche nach dem Ausnahmebetrieb, bei dem man in einer Momentaufnahme vermeintlich glückliche Tiere sieht, dient der Beruhigung des Gewissens aller Fleischesser, Milchtrinker und Eierkonsumenten.